Ist Zuwanderung ein Problem für Deutschland?

Veröffentlicht am 08.12.2010 in Integration

Immer wieder kommt die Forderung auf, die Zuwanderung nach Deutschland stärker zu reglementieren. Auch die nicht gerade aktuelle Forderung qualifizierte Zuwanderung zu fördern, verstehen viele als eine Aufforderung unqualifizierte Einwanderung zu unterbinden. Die eigentliche Frage, die sich also stellt, lautet: Haben wir ein Problem mit der aktuellen Einwanderung? Betrachtet man die Wanderungssalden rein statistisch muss festgestellt werden, dass wir weniger ein Problem mit der Zu- denn mit der Abwanderung haben. Im Jahr 2009 verließen erstmals seit 25 Jahren mehr Menschen Deutschland als hinzugezogen sind. In Anbetracht der niedrigen Geburtenraten in Deutschland ist dies ein alarmierendes Zeichen. So geht es doch künftig um die Sicherung unserer Sozial- und Rentensysteme. Beide Systeme sind finanziell auf einen Generationenvertrag angewiesen. Da die in Deutschland lebende Bevölkerung sich nicht ausreichend reproduziert, sind wir auf Zuwanderung angewiesen um wenigstens ein Minimum unserer sozialen Errungenschaften sichern zu können.

Selbstverständlich ist es für eine Volkswirtschaft nutzbringender, wenn die zugewanderte Bevölkerung bereits qualifiziert ist und sofort das BIP des Landes steigern kann. Daher bestehen bereits seit Ende der 1990'er Entwürfe ein Punktesystem für die Zuwanderung nach kanadischen Beispiel auch in Deutschland zu installieren. Hier geht es aber mitnichten darum die Zuwanderung wenig oder nicht qualifizierter Migranten zu verhindern oder zu erschweren. Vielmehr sollen hier Ausnahmeregelungen getroffen werden, hochqualifizierten Arbeitskräften die Einwanderung zu erleichtern. Denn die bereits geltenden Aufenthaltsregelungen in Deutschland sind sehr restriktiv und gestalten eine Zuwanderung an sich schwierig. Aber haben wir denn nun einen übermäßigen Zuzug nicht qualifizierter Migranten? Bei dieser Frage muss grundsätzlich stark unterschieden werden. Wir haben hier zum einen die Asylbewerber und Flüchtlinge mit einem gesicherten Asylstatus. Die Anzahl beider nimmt seit Jahren ab. Auch wenn die Zahl der Asylbewerber in den letzten drei Jahren leichte Schwankungen nach oben und unten verzeichnet, ist doch der Trend der vergangenen 10 Jahre nicht zu leugnen. Noch deutlicher wird dies bei den Flüchtlingen mit bewilligtem Asyl. Durch die Drittstaatenregelung ist die Zahl derjenigen, die einen gesicherten Aufenthaltsstatus im Rahmen des Asylrechts erhalten enorm gesunken. Ähnlich verschroben ist die Wahrnehmung des Familiennachzugs. So wird oft vermittelt, dass wir in Deutschland von sogenannten „Importbräuten“ regelrecht überschwemmt werden. Tatsächlich hat sich die Zahl der Familiennachzüge in den letzten 10 Jahren halbiert. Dies liegt zum einen daran, dass Ehegatten seit 2007 vor der Bewilligung des Aufenthaltes in Deutschland Sprachkenntnisse nachweisen müssen. Zum anderen müssen die in Deutschland lebenden Ehepartner nachweisen, dass sie ihre Familie ohne staatliche Hilfe selbst versorgen können. In der letzten Dekade hat die Zahl der EU Bürger unter der Gruppe der Migranten enorm zugenommen. Somit steigt natürlich auch ihr prozentualer Anteil an der ohnehin sinkenden Gruppe der Zuwanderer. Es kann also getrost behauptet werden, dass Deutschland nicht von unqualifizierten Zuwanderern überschwemmt wird. Vielmehr müssen wir fragen, warum verlassen immer mehr gut ausgebildete Menschen Deutschland? Für deutsche Akademiker ist dies schwer zu sagen, da hier sehr viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen sind einige davon. Aber prinzipiell investieren Bund und Länder im Vergleich mit anderen Industrienationen unterdurchschnittlich wenig Geld in Bildung und Forschung. Warum verlassen aber ausgerechnet auch die Akademiker mit Migrationshintergrund unser Land, die wir doch eigentlich gewinnen wollen? Schließlich wandern gut 50% der Akademiker mit Migrationshintergrund aus. Auf diese Frage gibt es klare Antworten, da hier bereits weitreichende Befragungen stattgefunden haben. Zum einen müssen viele ausländische Akademiker Deutschland verlassen, da sie einen Aufenthaltsstatus nur dann erhalten können, wenn sie bis spätestens einem Jahr nach Studienabschluss eine Arbeitsstelle nachweisen können. Dies wäre aber auch für deutsche Studienabgänger schwer. Wir vertreiben also das gewünschte Fachpersonal. Zum anderen ist die Einstellungspolitik in Deutschland strukturell als rassistisch zu bewerten. So werden Menschen mit einem fremdländischen Namen bei gleicher Qualifikation 20 mal seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Bewerber mit einem autochthonen deutschen Namen. Außerdem sind es viele Akademiker mit Migrationshintergrund leid sich für ihre Herkunft rechtfertigen zu müssen. Die meisten der betroffenen Personen berichten davon, dass sie meist nicht als gleichwertiges Fachpersonal angesehen werden und stärker über ihren familiären Hintergrund, denn über ihre Qualifikation definiert werden. Will man also den Anteil qualifizierter Zuwanderung steigern oder wenigstens den Anteil der qualifizierten Abwanderung verringern, gilt es grundlegend umzudenken. Der Staat muss mehr Geld in Wissenschaft und Forschung investieren und wir alle müssen uns an die eigene Nase fassen und fragen, ob wir bereit sind Migranten als gleichberechtigte und gleichwertige Mitbürger zu akzeptieren. Die vornehmliche Aufgabe der Politik wird es aber in den nächsten Jahren sein, besonders die Kinder und Jugendlichen zu fördern, die aus bildungsfernen Familien kommen. Dies sind mehrheitlich nicht Zuwanderer. Viel öfter geht es hier um deutsche Familien oder Familien mit Migrationshintergrund deren Kinder in der dritten oder vierten Generation hier leben. Hier verschenkt Deutschland seine Potentiale um qualifizierte Arbeitskräfte von Morgen zu gewinnen. Hier gilt es zu fördern aber auch zu fordern. Hier müssen Mittel in die Hand genommen werden um unserer Gesellschaft die Zukunft zu sichern. Zuwanderung ist nicht das Problem der Deutschen Gesellschaft. Zuwanderung wird auch nicht die Lösung unserer Zukunftsprobleme sein. Quellen zum Nachlesen: Jahresbericht 2009 der Forschungsgruppe im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge migration-info.de Statitisches Jahrbuch 2010 (G.K.)