Sarrazins Äußerungen bleiben ohne Folgen

Veröffentlicht am 16.03.2010 in Landes-SPD

Mit Unverständnis und Entsetzen hat die AG Migration der SPD Berlin-NordOst das Urteil der Landesschiedskommission im Parteiordnungsverfahren gegen Dr. Thilo Sarrazin zur Kenntnis genommen. Wir sprechen unser Bedauern über diese uns unverständliche Entscheidung aus. Neben den aus unserer Sicht klar als rassistisch einzuordnenden Äußerungen Dr. Sarrazins ist die Entscheidung seine Äußerungen parteiintern ungeahndet zu lassen ein deutlicher Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich innerhalb der Sozialdemokratie gegen Rassismus und für die Würde und Gleichbehandlung aller Menschen einsetzen.

Die Berliner SPD-Landesschiedskommission ist der Beurteilung des Politikwissenschaftlers und Rassismusforschers Dr. phil. Gideon Botsch nicht gefolgt und hat den Begriff Rassismus abweichend des Gutachtens ausgelegt. Die Kommission kommt dadurch zu dem Schluss, dass die Aussagen von Dr. Sarrazin nicht als rassistisch zu werten sind und somit auch nicht den Grundsätzen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands widersprechen. Die Schiedskommission begründet dies vor allem damit, dass Dr. Sarrazin neben seinen verbalen Angriffen auf vornehmlich arabische und türkische Migranten auch Kritik an Teilen der deutschen Bevölkerung übt. Offenbar setzt die Kommission hier Äußerungen wie „Subventionsmentalität“ und „Westberliner-Schlampenfaktor“ (in Bezug auf die genetisch deutsche Bevölkerung) mit den bereits mehrfach durch die Medien verbreiteten Äußerungen wie „Eine große[.] Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion “ oder „Große Teile sind weder integrationswillig noch integrationsfähig.“ „Viele von ihnen wollen keine Integration, sondern ihren Stiefel leben. Zudem pflegen sie eine Mentalität, die als gesamtstaatliche Mentalität aggressiv und atavistisch“ sei, gleich. Diese Interpretation durch die Kommission spricht aus ihrer Sicht gegen eine Einstufung der Äußerungen Thilo Sarrazins als rassistisch. Die Kommission entschuldet die drastischen Äußerungen Dr. Sarrazins damit, dass dieser provozieren wollte und kommentiert dies mit: „Dies ist ihm geglückt“. Außerdem bemerkt die Kommission: „Nicht zuletzt aufgrund seines Interviews hat die – notwendige – Debatte um die Integrationspolitik neuen Schwung bekommen.“ Vor allem diese Sichtweise löst bei uns großes Empören aus. Die Kommission hat hier vollkommen die aktuelle Integrationspolitik aus den Augen verloren. Die in dem entsprechenden Interview im „Lettre International“ verbreiteten Behauptungen enthalten neben vielen falschen Zahlenbeispielen keinerlei neue Erkenntnis für die Integrationspolitik. Die durch Dr. Sarrazin angesprochenen und in nur geringem Anteil tatsächlich existierenden Probleme sind seit langem bekannt, benannt und integraler Bestandteil bei der Entwicklung integrationspolitischer Strategien. Einzig neu an den Äußerungen, sind Beschimpfungen und Herabwürdigungen einzelner Bevölkerungsgruppen. Ebenfalls mit Unverständnis haben wir die Unstimmigkeiten des Urteils zur Kenntnis genommen. So kann die Kommission keinen Rassismus in den Äußerungen von Dr. Sarrazin sehen und somit auch keinen Verstoß gegen die Grundprinzipien der Sozialdemokratie feststellen, ermahnt Dr. Sarrazin aber: „dass er durch diese Entscheidung keinen Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen erhält.“. Fraglich ist hierbei, wieso sich Dr. Sarrazin in Zukunft zurückhalten sollte, wenn doch seine Äußerungen, wie durch die Schiedskommission bestätigt, nicht den Grundsätzen der SPD widersprechen und somit für ihn folgenlos bleiben. Die AG Migration der SPD Berlin-NordOst kann keiner der Argumentationen der Landesschiedskommission folgen. Wir hoffen, dass der Sozialdemokratie durch die Entscheidung die Äußerungen Dr. Sarrazins ungeahndet zu lassen kein noch größerer Schaden entsteht, als dies durch die Äußerungen selbst ohnehin geschehen ist.